Wenn das Land untätig bleibt - Auswirkungen in der Ganztagesbildung

Veröffentlicht am 03.04.2020 in Fraktion

Städte und Kommunen hängen am Zipfel des Landes - nirgendwo wird das so deutlich wie im Bildungsbereich. Seit Jahren fehlen Konzepte, Gelder oder entsprechende gesetzliche Regelungen für eine gute Ganztagesbildung. Das hat Fraktionsvorsitzender Robin Pitsch beim TOP Schulentwicklungsplan klar zum Ausdruck gebracht.

Sehr geehrte Damen und Herren,

sehr geehrter Herr OB,

hier am Ratstisch hab ich immer den Eindruck, es ist etwas verpönt, wenn man Landes- oder Bundesthemen anführt, wenn man landespolitische Entwicklungen aufzeigt oder Themen kritisch beleuchtet – beim Thema Bildung ist das natürlich nahezu unumgänglich, das ist ja eigentlich Landesthema. Und das dieses Thema mit solch einer – zumindest ich würde es so formulieren, wenn man sich u.a. die finanziellen Konsequenzen anschaut – mit einer Wucht nun heute hier aufschlägt. Denn eines hat die Landesregierung beim Thema Bildung bewiesen – und ich muss gestehen – völlig frei von Farben oder Parteien: hier versagt das Land seit Jahrzehnten, jedes Jahr, jeden Monat, jeden Tag auf Neue und die Kommunen müssen ausbaden. Und so müssen wir als Stadt Schwetzingen auch eine völlig fehlgeleitete Ganztagesschulpolitik korrigieren, kaschieren oder einfach vom Land übernehmen, weil Frau Dr. Kultusministerin entweder sagt, „eine Ganztagesschule via Gesetz brauchen wir nicht“, oder eben drei Tage später von einer „Ganztagesgarantie für alle Schülerinnen redet“. Aber weder Konzept, noch Gesetz, noch ein Gesetzesvorschlag, ja nicht einmal irgendeine Umsetzungsidee existiert – und das vor dem Hintergrund, dass Baden-Württemberg so ziemlich auf Platz 16 von 16 liegt, wenn es um Ganztagesbildung, Ganztageskonzepte oder irgendeine vernünftige Lösung hinsichtlich der gesellschaftlichen Veränderungen gibt, also: ganztägige Betreuung und qualifizierte Bildung in Einklang zu bringen. Und das, obwohl diese Entwicklung bereits seit Jahrzehnten in diese Richtung geht.

Aber leider muss man sagen, ist es genau eine Partei, die diese Entwicklung nicht nur immer negiert hat und dies bis heute tut, sondern in ihrer ewigen Gestrigkeit und pseudo-sozialen Grundüberzeugung unter dem Deckmantelwort „Wahlfreiheit“ die machbaren Lösungen stets behindert: Und das tut sie nicht nur aktuell im Land mit ihrer Ministerin Eisenmann in Stuttgart, nein!, sie tut es auch hier am Tisch, hier in Schwetzingen.

Es ist schon ein bemerkenswerter Vorgang, was hier in Schwetzingen passiert ist, wie hier eiskalte CDU-Landespolitik in das Parlament getragen wird: da steht in unserem neuen Kultur- und Bildungsausschuss eine gute und bereits auf einer Klausurtagung des Gemeinderates erarbeitete und in Konsens mit Rektoren, Gemeinderäten und Stadtverwaltung vorbereitete Vorlage. Bis vor zwei Wochen stand hier noch folgender Satz:

Die Stadt Schwetzingen strebt zeitnah eine weitere Qualifizierung der Kernzeit- und Hortbetreuung an den vier Grundschulen mit dem Ziel an, möglichst viele Schulkinder und Eltern für eine gebundene Ganztagsgrundschule zu gewinnen. Die Verwaltung wird beauftragt, dem Gemeinderat hierzu konkrete Vorschläge zu unterbreiten.

Das war die alte Vorlage im KuBA! Das Wort „gebundene Ganztagesschule“ hat einen einfachen Hintergrund: es ist für Schulen die aktuell einzige, organisatorisch machbare Lösung eines pädagogisch qualitätvollen Ganztagesbetrieb – und auch das nur mit personeller Unterstützung der Stadt.

Alle anderen Modelle wie Kernzeit oder Hort können die Vorteile der Ganztagesschule gar nicht bringen (das weiß auch eigentlich jeder):

  • Kostenlos für Eltern
  • Rhythmisierung und Streckung des Schultages durch Festlegung von Lernpausen, was der Lernpsychologie und damit auch Lernleistung des Kindes zu Gute kommt
  • Schule als eigener Lebensort
  • Und das wichtigste: Kein reines „Parken“ der Kinder unter Aufsicht, am besten noch mit 50 anderen, wie das aktuell der Fall ist

Wir sind uns alle einig, dass wir alle hier am Tisch wissen: nur wenn ein durchdachtes, von den Lehrkräften entwickeltes und fundiertes pädagogisches Ganztageskonzept dahinter steckt, dann hat das für Kinder auch Mehrwert.

Und glauben Sie mir – ich bin selbst als Konrektor für die Planung und Koordination von Unterricht zuständig – nur in einer „gebundenen Ganztagesschule“ ist das umsetzbar.

Nun fand in der letzten Kultur-und-Bildungsausschuss-Sitzung etwas statt, dass für uns an Irrung und Wirrung nicht zu unterbieten ist: der Oberbürgermeister stimmt nach mehrmals wiederholten Abstimmungen am Ende gegen seine eigene Vorlage – diese wird geändert, zu der heutigen, hier steht:

Die Stadt Schwetzingen strebt zeitnah eine weitere Qualifizierung der Kernzeit- und Hortbetreuung an den vier Grundschulen mit dem Ziel an, möglichst viele Schulkinder und Eltern für eine qualifizierte Ganztagesbetreuung zu gewinnen. Die Verwaltung wird beauftragt, dem Gemeinderat hierzu konkrete Vorschläge zu unterbreiten.

Das zentrale Wort wurde ausgetauscht. Warum? Warum wird von einem Ziel Abstand genommen, möglichst viele Menschen von dem qualitätvollen und schulisch einzig organisierbaren Variante der „gebundenen Ganztagesschule“ abzukommen? – und stattdessen ein Ausbau des u.E. völlig ungenügenden Systems der Kernzeit mit bis zu 50 oder 60 Kindern pro Raum und Betreuungskraft zu fordern?

Und hier kommt nun die Landespolitik ins Spiel. Sie sitzt hier am Tisch! Und jeder weiß, dass für die CDU das Wort „gebundene Ganztagesschule“ aus ideologischen Gründen der „logos non grata“ – das Nicht zu akzeptierende, das nichts-verzeihende Wort ist. Wieso ist das wichtig zu wissen: weil Sarina Kolb in ihrem Landtagskandidatenkampf vor ihren Parteigenossen dieses Wort nicht positiv bewerten darf, nicht abstimmen kann, sie braucht einen Erfolg für ihre Partei, hier am Tisch. – Ich weiß nicht, was da im Vorfeld gelaufen ist, aber das Schauspiel ist eine Tragödie im klassischen Sinne, ohne Happy End, ohne Vernunft.

Nochmal, was wir eigentlich gemäß dem Beschlussvorschlag beschließen: wir „streben zeitnah eine weitere Qualifizierung der Kernzeit- und Hortbetreuung an“ und wollen gleichzeitig „Eltern für eine qualifizierte Ganztagesbetreuung gewinnen.

Was soll diese dusslige Formulierung? Das ist – und ich da jetzt mal den Deutschlehrer raushängen lassen – semantischer Quatsch. Wieso wiederholt sich dieser Begriff der „Qualifizierung“? Was bedeutet es, liebe CDU, lieber Herr Oberbürgermeister, wenn man den Hort oder die Kernzeit qualifiziert? Was ist eine qualifizierte Ganztagesbetreuung? Gibt es dann mehr Betreuer, mehr pädagogisches Mittagsprogramm? Oder beschränkt sich diese Qualifizierung nur auf die zusätzlichen Räumlichkeiten, die wir gemäß dem neuen Schulentwicklungsplan (und nicht erst seit diesem) investieren müssen? Wird von mehr Raumangebot die Qualität grundlegend besser?

Das kann doch nicht euer Ernst sein und dokumentiert, dass hier Laien sprechen. „Schön die Kinder parken und irgendwann, wenn einem in den Kram passt abholen“ … das hat nichts mit Bildung zu tun!

Wir brauchen doch ein Ziel und von diesem Ziel aus - unabhängig ob das am Ende so ein-zu-ein kommt bzw. kommen kann – sollten und wollen wir Eltern überzeugen: von einer guten pädagogischen Qualität, durch ein durchdachtes Konzept, durch eine kindgerechte Rhythmisierung des Schulalltages, durch die die Einführung einer kindgerechten Lernathmosphäre und eben auch mehr Zeit. Und dieses Ziel kann – weil es als einziges auch in den Schulen planerisch und organisatorisch so auch machbar ist – nur die gebundene Ganztagesschule sein.

Natürlich müssen wir als Stadt hier auch Garantien geben, personelle Unterstützungen garantieren, denn leider sieht das Landesgesetz zu gebundenen Ganztagesschulen nur sehr rudimentäre – und nur sehr lausige - Personalunterstützung vor. Das darf uns als Stadt aber nicht dazu anhalten, ein solches Konzept zu favorisieren.

Ob man dann, wie unser OB argumentiert, auf einem sogenannten Rechtsbegriff herumreiten muss, weiß ich nicht, zumindest ist der inhaltlichen Diskussion in dieser Weise nicht zuträglich – schon gar nicht wenn es dem Ziel der Konservativisten erheblichen Vorschub leistet.

Bildung ist die einzige Ressource, die wir haben – und die wir in den letzten Jahren zutiefst vernachlässigt haben. Unsere Zukunft gelingt nur mit Kindern, die in einigen Jahren den politischen, ökologischen, wirtschaftlichen und den sozialen Herausforderungen gewachsen sind. Das geht nicht, wenn man die Kinder bereits in der Grundschule in der Kernzeit für Stunden aufs Abstellgleis stellt! Stattdessen brauchen sie Beschäftigung, Erlebnisse, Erfahrungen, Zuwendung, Interesse…

Und deshalb dürfen wir hier in Schwetzingen – wenn schon die Landesregierung in Sachen Bildung völlig versagt – es ihr nicht gleichtun. Wir brauchen Bildungsqualität und die geht im aktuellen System nur über die „gebundenen Ganztagesschulen“, die wir hier favorisieren und zumindest als Ziel anbahnen müssen.

Wenn wir tiefer stapeln, wie es der derzeitige Beschlussvorschlag vorsieht, gehen wir bereits mit der Idee in unseren Köpfen baden!

Daher beantragen wir als Änderungsantrag eine ähnlich zur bereits in der Vorlage zum KuBA verlesene Formulierung „Ziel […] Eltern für eine pädagogisch konzipierte Ganztagsschule zu gewinnen.“

Gleichzeitig müssen wir auch den Schulen und Schulleitungen das Signal geben, dass wir sie auch personell in der weiteren Entwicklung und Umsetzung unterstützen, was übrigens unabhängig gilt. Wir würden einen dritten Teilbeschluss anbringen:

3. Die Stadt Schwetzingen ist sich bewusst, im Fall einer Entwicklung der in ihrer Trägerschaft liegenden Grundschulen auch personell zu unterstützen, sollten sich diese zu o.g. Ganztagesschulen weiterentwickeln wollen/können“

Die derzeitigen Vorlage können wir im Hinblick auf das vorige ideologistische Gebahren einiger politischer Akteure bei der KuBA-Sitzung weder gutheißen, noch unterstützen.

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