Stadt stellt Vertragswerk zur Entwicklung des Pfaudlerareals fertig: Startschuss mit Startschwierigkeiten?

Veröffentlicht am 29.09.2021 in Fraktion

Die Stadt gibt mit dem Vertrag mit dem Investor den juristischen Startschuss zur Entwicklung des Pfaudler-Areals. Eine Lösung in Sachen Wohnungsnot und bezahlbarer Wohnraum ist es aber nicht. Fraktionsvositzender Robin Pitsch nimmt zum Vertragswerk der Stadt in der Septembersitzung Stellung.

Sehr geehrte Damen und Herren,

sehr geehrten Herr Ober- und Bürgermeister,

für die Verhandlungen im Namen der Stadt und die Ausarbeitung des juristischen Werks zollen wir den Akteuren – hier vorneweg Matthias Steffan – Anerkennung, Respekt und Dank. Immerhin war Vertragspartner ein millionenschwerer Investor, der das Maximale für sein Projekt rausholen will und für den Rahmen, den der Gemeinderat nach Zusammenarbeit und mit maßgeblicher Führung durch die Stadtspitze vorgegeben hat, lassen sich die Vereinbarungen in diesem Vertragswerk durchaus sehen.

Aber was ist das für ein Rahmen? Welche politischen Eckpfeiler wurden hier eigentlich – bzw. werden hier buchstäblich zementiert?

Eins vorweg: Beim Pfaudler-Areal geht es natürlich auch um städtebauliche Aspekte, aber das darf unseres Erachtens nicht das vornehmliche und wichtigste Thema bei dieser Betrachtung sein – das ist unseres Erachtens nach die soziale Komponente – sozialer Wohnraum.

Schauen wir mal kurz in die Historie, denn ein solches Projekt platzt ja nicht einfach in einen luftleeren Raum hinein.

Als Grundlage zur weiteren Wohnungsentwicklung hat die Stadt Schwetzingen und der Gemeinderat vor Jahren die „Wohnraumbedarfsanalyse“ auf den Weg gebracht – eine Handreichung, wohin und wie Wohnungspolitik und Wohnungsbau in Zukunft gehen sollte. Das war vor ca. 4 bis 5 Jahren und zielte genau auf eine solche Entwicklung wie heute, die wir hier zu beschließen haben. Zwei zentrale Botschaften wurden in der „Wohnraumbedarfsanalyse“ durch das Expertenbüro gesendet:

  1. Es besteht Mangel im unteren Preissegment des Wohnungsmarktes, sowohl in Vermietung, als auch im Kauf und dieser Mangel soll behoben werden; sowie
  2. Bei zukünftigen Baugebieten und Projekten eine soziale Durchmischung, die über Mietpreis und Bauqualitäten steuern ist.

Beide Punkte dieser Botschaft sind leider im Pfaudler-Areal nicht umgesetzt. Mit ca. 11 EUR/qm im günstigsten Fall wird es hier keine Wohnungen im unteren Preissegment geben. Das haben sowohl Investor als auch die Stadtspitze klar gemacht.

Neben der Wohnraumbedarfsanalyse gab es seitens des Gremiums, aber insbesondere auch von uns als Sozialdemokraten den Wunsch, den Prozess „Pfaudlergelände“ aktiv mitzugestalten und zu begleiten. Nahezu alle Parteien hatten das Thema „bezahlbares Wohnen“ auf ihrer Agenda. Auf unser Drängen hin wurde hierzu eine Klausurtagung abgehalten, nicht zuletzt um auch für uns zu definieren, was bezahlbares Wohnen eigentlich ist und wie wir das in Schwetzingen angehen und umsetzen können – und damals wurde das Pfaudler-Areal uns durchaus als Baustein und Teil der Lösung dargestellt, zumindest seitens der Verwaltung.

Dass uns Gemeinderäten aber bei dieser wichtigen Klausurtagung der Investor daselbst erzählt, was „bezahlbar“ sei, dass bezahlbares Wohnen ja gar nicht so gut an dieser Stelle sei und dass auch so etwas wie eine Mietpreisbremse politischer Unfug wäre… … ich glaube, wir waren damals nicht die einzigen, die aus dieser Klausurtagung mit einem komischen Gefühl raus sind – zumal wir ja aus dieser Klausurtagung mit keiner eindeutigen Strategie raus sind, außer der, dass es der Mehrheit der politischen Fraktionen am Tisch genügte, „in Pfaudler halt da etwas entwickeln zu lassen und wenn man nebenher noch günstigen Wohnraum kriegt, umso besser, und wenn nicht, auch nicht schlimm.“ – Und genau das ist der Status quo heute.

Fakt ist: damals wurden Erwartungen geweckt – durch die Stadtspitze, durch Parteien und Fraktionen, die ziemlich gerne auf das Pfaudler-Projekt verwiesen, wenn man an einem Infostand auf dieses soziale Thema Nummer eins – bezahlbares Wohnen – angesprochen wurde. Und auch hier weiß ich: das ist so ziemlich bei jeder Partei aufgeploppt.

Ja: es wird, gemessen am Areal, eine 20-prozentige Quote geben – ja. Aber bei dieser Quote geht es nicht um Mieten im unteren Preissegment. Das werden Wohnungen, die zwar dem Rendite-Rausch des Wohnungsmarktes entzogen werden sollen, aber eben trotzdem nicht im unteren, sondern im hohen mittleren Preissegment zu finden sind. Ein Sozialplan ist das mit Sicherheit nicht.

Nun werden bei der aktuellen Konzeption des Pfaudler-Areals weder bezahlbarer Wohnraum eine Rolle spielen, noch wird es eine gewollt soziale Durchmischung geben, es ist bis heute auch nicht definiert, was wir in Schwetzingen unter bezahlbarem Wohnen verstehen und es existiert auch keine Strategie, keine Perspektive, wie wir dieses seit über 10 Jahren gärende Thema in kurz- bis mittelfristiger Sicht abhelfen.

Es gäbe da immer noch die Möglichkeit, seitens der Stadt auf den geförderten Wohnraum zu setzen. Man baut Wohnungen, bekommt eine Förderung vom Land und sagt zu, Menschen mit Wohnbelegungsschein dort unterzubringen. Andere Städte tun das, nicht in großem Stil, aber sie tun es. Plankstadt macht es uns im Neubaugebiet Antoniusviertel ein bisschen vor – Plankstadt!

Allerdings wurde die Option des geförderten Wohnraumbaus seitens der Stadt zumindest bei Pfaudler nie in Erwägung gezogen und vom Restgremium nie richtig diskutiert. Es entstand immer der Eindruck, Wohnen mit Belegungsschein würde in eine Schmuddelecke gestellt, es gelte für Obdachlose, Hartz-VI-Empfänger oder Sozialunwilligen. Mit dieser Mär muss man mal aufräumen. Dass Wohnbelegungsscheine aber grundsätzlich Familien zustehen, die ein Einkommen von bis zu um die 50.000 Euro jährlich haben – also vielleicht einem Polizisten mit Familie, einem frisch verheirateten Sozialarbeiter oder einem Handwerksangestellten, das ist – so glauben wir – nicht jedem hier am Ratstisch klar.

Für diese Menschen – man würde sagen: den normalen Menschen auf der Straße – steht in Schwetzingen nahezu kein Wohnungsangebot zur Verfügung. Auch nicht – bzw. wir sollten sagen: erst recht nicht! – mit den mit den „Schwetzinger Höfen“ – Nein, hier halten andere soziale Schichten Hof – am besten separat und unter sich – nach Willen von Investor und Stadtspitze.

Was sagen wir den Polizisten, den ErzieherInnen, den SozialarbeiterInnen, den PflegerInnen, den KassierInnen, die einen Wohnbelegungschein bekämen und selbst wenn nicht, für die immer noch kein Angebot in Schwetzingen zu finden ist? – Einige würden sicherlich auf den Balkon gehen und klatschen… und dann wieder reinkommen – „danke, für nichts“ …

Klar: Das Projekt muss sich auch für einen Investor lohnen. Das ist uns bewusst, das ist klar. Wir wissen, dass am Tisch zu diesem Vertrag viel gerungen wurde. Wir wissen um die Bemühungen von Herrn Epple. Wir wissen auch um das enorme Anziehen der Baukosten und der Rohstoffpreise. Wir wissen das alles, wir erkennen das an. 

Aber das die Schwetzinger Höfe kein sozial akzeptables Gemeinschaftsprojekt werden, liegt auch weniger am Investor, als auch an fehlendem politischem Gestaltungswillen hier am Tisch – und nicht nur an dessen Kopf.

Wie sieht denn unsere Strategie aus? Ganz konkret? Mit Zeitschiene. Mit Projekten. Und zwar von Stadtseite. Immer nur auf die neue (und in Teilen vielleicht auch quantitativ überforderte) Schwetzinger Wohnungsbaugesellschaft zu zeigen, ist zwar bequem, aber nicht zielführend.

Ist der Neubau zu teuer? Und wenn ja, wie lässt sich bezahlbarer Wohnbau in Altbeständen umsetzen? Und das alles, ohne über weitere Flächen zu verfügen?

Wie gestaltet sich die Strahlkraft der neuen Schwetzinger Höfe? Tendenziell werden auch die Mietpreise und Werte in den umliegenden Straßen steigen. Gut für die Besitzer. Schlecht für Mieter und insbesondere Neumieter.

Das die Strategie nicht aufgeht, „wenn man neu baut, wird ja eine alte Wohnung frei, die kann man dann günstig vermieten“, zeigt sich aktuell in der Nordstadt. Hochpreisig wurde dort durch die FlüWo gebaut. Frei werdende Wohnungen in angrenzenden Straßen und Gebieten sind in der Neuvermietung um bis zu 50% in die Höhe geschossen. Das kann doch keine Strategie sein…? – Fun Fact: Genau dieses wurde uns bei der Klausurtagung dargestellt… ein Fehler, wie sich nun an anderer Stelle in der Nordstadt beobachten lässt.

Wohnen ist die soziale Frage der heutigen Zeit.

Was wir zumindest brauchen, um überhaupt eine qualifizierte Übersicht zu haben, auf deren Grundlage wir entscheiden können, ist ein „qualifizierter Mietspiegel“ – der nicht nur einmal gemacht wird, sondern ständig fortgeschrieben wird – damit wir die Entwicklungen sehen, damit wir die Strahlkraft der Schwetzinger Höfe und ihrer sozialen bzw. asozialen Auswirkungen sehen und reagieren können – wenn wir schon nicht agieren.

Wir beantragen diesen qualifizierten Mietspiegel hiermit. Das ist ein Schlüssel für eine echte kommunale Wohnstrategie und dieser wird sich – zumindest ist das die Erfahrung von anderen Kommunen – preisdämpfend auswirken, weil die Preise eben dadurch transparent sind.

Ansonsten hoffen wir natürlich auch auf das Wunder von oben – auf die Mietpreisbremse vom Bund, damit der Turbokapitalismus und der Rendite-Rausch des Wohnungsmarktes jene Grenzen bekommt, damit eine Gesellschaft noch gesund existieren kann.

Summa summarum:

Bei allem Verständnis für die Schwierigkeit, einen städtebaulichen Vertrag mit all den juristischen Kniffen auszuarbeiten und dem Verständnis, dass sich ein solches Projekt ja für jeden lohnen muss, so müssen wir doch leidlich zugeben, dass wir heute nicht zustimmen können, solange heute keine hinreichende Strategie oder greifbare Perspektive mit definiertem Ziel in Sachen bezahlbares Wohnen vorliegt.

Und eine erste Prämisse in diese Richtung könnte sein, dass der Gemeinderat sich zu einer Selbstverpflichtung entschließt die Abschöpfungssumme von 6,5 mio Euro tutto in geförderten Wohnraum investiert – dann könnten wir hier zustimmen, denn dann haben wir eine Perspektive und man kann das dann so kommunizieren.

Ansonsten werden wir das nicht mittragen können.

News-Ticker

Die Spitzenkandidatin Katarina Barley stellt gemeinsam mit Generalsekretär Kevin Kühnert die Europawahl-Kampagne der SPD vor. Neben den inhaltlichen Schwerpunkten stehen die Plakatmotive im Fokus der Kampagnenpräsentation. Die Präsentation findet statt am Donnerstag, den 25. April 2024 ab 14:30 Uhr Sei Live dabei: https://www.youtube.com/watch?v=RKixH1Am-GA

Das EU-Parlament hat heute mehrheitlich dem Kommissionsvorschlag zugestimmt, Umweltmindeststandards in der Gemeinsamen Agrarpolitik erheblich abzuschwächen. Das hat auch auf die deutsche Agrarlandschaft einen unmittelbaren Einfluss. "Die konservativen und rechtsextremen Parteien im EU-Parlament haben heute im Hauruckverfahren wesentliche Umweltaspekte der Gemeinsamen Agrarpolitik aufgeweicht, für deren Etablierung es jahrzehntelange parlamentarische Prozesse und Folgeabschätzungen gebraucht hatte. Seit Jahresbeginn… Landwirtschaft in der EU: Kein Ausverkauf von Umweltschutz weiterlesen

China-Reise des Bundeskanzlers: Wichtige Impulse für eine gemeinsame Diplomatie Rolf Mützenich, Fraktionsvorsitzender: Erneut hat ein direktes Gespräch des Bundeskanzlers mit Präsident Xi wichtige Impulse für eine gemeinsame Diplomatie im Krieg in der Ukraine geben können. Nicht umsonst ist die Reise des Bundeskanzlers vom ukrainischen Präsidenten Selenskyj sehr positiv bewertet worden. "Erneut hat ein direktes Gespräch… Rolf Mützenich zur China-Reise des Bundeskanzlers weiterlesen

"Wir werden nicht das Streichkonzert im sozialen Bereich machen. Ganz im Gegenteil” In der aktuellen Folge des Podcasts "Lage der Fraktion" ist Bernd Westphal zu Gast, der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion. Er erklärt, warum die wirtschaftliche Lage besser ist, als viele sagen; dass die Kritik der Wirtschaftsverbände an der Bundesregierung unangemessen ist, und, wieso die… Bernd Westphal im Podcast zur wirtschaftlichen Lage in Deutschland weiterlesen

Schwetzingen für alle - Startseite